Katrin: Da ich nach den Sommerferien wieder in den Beruf einsteigen will, beschäftigt mich gerade die Frage, ob ich in meinem Job Teil des Klima-Problems oder Teil der Lösung wäre. Ich arbeite in einer Agentur, deren Kunden – Stand 2018 – zum größten Teil nicht nachhaltig eingestellt sind. Auch die Agentur selbst pfiff zu Beginn meiner Elternzeit noch aufs Klima. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich mal verhandeln musste, um mit dem teureren Zug statt mit dem Flugzeug nach Köln reisen zu dürfen.
Einerseits finde ich es wichtig, dass in jedem Unternehmen auch ein paar Mitarbeiter*innen sitzen, die klimapolitisch interessiert sind und die Kolleg*innen daran erinnern, dass da ein unheimlich drängendes Thema ist, das jeden und jede betrifft. 
Aber so ein Arbeitstag besteht ja nicht nur aus Kaffeepausen und Flurgesprächen. Er besteht auch aus Arbeit für Kunden. Und hier sehe ich das Hauptproblem. Meine Aufgabe ist, die Produkte und Dienstleistungen dieser Kunden „gut zu verkaufen“. Meine Leistung wird auch daran gemessen, ob sich die Verkaufszahlen der Kunden verbessern. Und das bereitet mir beispielsweise bei Fast Fashion und konventionellen Banken ziemliches Kopfzerbrechen. Hier müsste ich konsequenterweise die Arbeit verweigern.

Wolfgang: Ja, da bist du wirklich in einem schwierigen Bereich tätig, denn Werbung unterstützt ja ganz schnell mal die Produktion von Produkten, die klimatechnisch hoch bedenklich sind. Als Buchhalter habe ich mir immer die Waffenindustrie als rote Linie gezogen. Aber in einem Job vor ein paar Jahren ging es darum, dass ein Einzelhändler eine große Fleischerei in seinen Laden mit aufnehmen wollte – da kam ich als (durchaus umweltpolitisch getriebener) Vegetarier schon arg ins Grübeln, ob ich das noch mitmachen soll.

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Katrin: Oder kann ich als Aktivistin einen ganz gewöhnlichen, klimazerstörerischen Arbeitstag verleben und abends über das Unterzeichnen einiger Petitionen den Schaden wieder gut machen?
Nein, mit einem solchen Feierabendaktivismus könnte ich nicht leben. Ich möchte meine Zeit und Energie ausschließlich der klimafreundlichen Seite zur Verfügung stellen. Für mich gibt es kein gutes Leben mehr mit bösem Job.

Wolfgang: Das ist ja bei dir schon sehr deutlich, wie tief moralisch du in der Klimabewegung verwurzelt bist. Dann ist die Auswahl der infrage kommenden Jobs tatsächlich deutlich geringer. Meine Erfahrung ist allerdings, dass das (Arbeits-)Leben noch viele andere bunte Paletten bereit hält, die auch an der eigenen Moral kratzen. Zur Zeit habe ich zum Beispiel einen Chef, der mit seinem Verhalten gegenüber seinen Angestellten jenseits jeglicher Minimal-Moral steht. Ich versuche, dieses Problem zu „lösen“, indem ich mich erstens völlig unabhängig fühle und das ihm gegenüber auch so vertrete („Ich kann jederzeit einen anderen Job finden.“), zweitens aktiv für ein sehr gutes Betriebsklima unter den weiteren Angestellten sorge (so gut es in der Situation eben geht …) und drittens mir fest vornehme, nur so lange dort zu bleiben, wie die Arbeit selbst mir Spaß bringt.
All das ist wirklich ein sehr schmaler Pfad, aber in diesem Fall lasse ich mich auf diese extreme Situation auch ein, weil das mir ermöglicht, am Ende meines Berufslebens bestimmte, immer wieder stark verletzende Aspekte in den einzelnen Jobs zu verstehen und ein Stückweit aufzuarbeiten. Klimapolitisch ist der Job übrigens (zum Glück) kaum zu beanstanden.