Thorsten, Corinna und Marc

Wolfgang: Wie viel Parent bist du?
Thorsten: Ja, 100 % Parent! Ich bin sozusagen „Vollvater“!

Wolfgang: Bist du schon immer ein Klimaaktivist gewesen?
Thorsten: Also mehr als die Hälfte meines Lebens ja. Ich bin schon immer engagiert, aber mein Einstieg in das Klimageschehen war die Konferenz von Johannesburg 1992. Da gab es eine Gegenkonferenz in Freiburg, da war ich dabei. Das Thema Klima stand da ganz oben. Aber ich bin dann anschließend mehr Umweltaktivist geworden als Klimaaktivist.

Wolfgang: Und wie bist du dann zu Parents for Future gekommen?
Thorsten: Mich haben die Reden von Greta sehr bewegt und auch der Schulstreik. Anfangs war ich allerdings enttäuscht, dass der Schulstreik der BUND-Jugend vor dem Bundestag im August 2018 so vollkommen verpufft ist. Es hat sich niemand angeschlossen.
Nach der Einigung der Kohlekommission gab es aber noch einmal einen neuen Ruck. Diese Einigung der Kommission war bei uns am Küchentisch hoch umstritten: Meine Partnerin meinte, es ist doch gut, dass etwas passiert. Mein Sohn: „Geht überhaupt nicht!“ Und ich wollte auch erst einmal abwarten und die Position der Verbände prüfen. Aber mein Sohn war da so klar, dass ein Ausstieg aus der Kohle 2038 überhaupt keine Diskussionsgrundlage ist. Das war eine so deutliche Position eines Jugendlichen, die mich sehr beeindruckt hat. Ich habe mich gefragt, ob wir als ältere Generation das Klimathema genügend verfolgt haben.
Ich für mich kann aber sagen, ich hab kein schlechtes Gewissen – ich hab getan, was ich konnte. Ich hab damals nach dem Zeitgeist gehandelt. Das heißt, wir haben uns auf „smarte“ erreichbare Ziele konzentriert, wie z. B. den Atom-Ausstieg, die Anti-Castor-Bewegung oder die Anti-Gentechnik-Bewegung. Das Thema Klima war für uns einfach noch zu groß. Bei den anderen Themen konnte man konkret aktiv werden.
Für die Aktiven, welche sich auf den Klimaschutz konzentriert haben,war das ein hartes Brot. Einfach weil weder die Gefahr noch die Erfolge sicht- oder spürbar waren. Aber es war schon immer eine Angst da, weil wir seit 30 Jahren wissen, dass das eine große Bedrohung für uns ist. Schon vor 30 Jahren gab es Zeitungsartikel, in denen thematisiert wurde, dass der Klimawandel mehr Ängste auslöst als ein Atomkrieg. Aber erst mit Greta wurde es so in Worte gefasst, dass es losgehen konnte.

Wolfgang: Ist dein Sohn jetzt bei Fridays for Future engagiert?
Thorsten: Nein, er wollte mal da hin, aber dann fuhr die U-Bahn gerade nicht und dann war er schnell bei Extinction Rebellion dabei.

Wolfgang: Wie engagierst du dich am allerliebsten bei den Parents?
Thorsten: „Am allerliebsten …“ ist ne fiese Frage – das eine ist, was nett ist und das andere, was effektiv ist …

Wolfgang: … dann sag etwas Nettes …
Thorsten: Ich finde die Treffen total wichtig, aber ich weiß, dass ich da nicht zuverlässig teilnehmen kann. Es fällt mir schwer, diese Treffen in meinen Alltag einzubauen. Letztendlich war die Möglichkeit, mich online zu engagieren, eine gute Form, mich intensiv einzubringen.

Wolfgang: Was meidest du eher – jetzt, wenn es um Engagement geht – wo hängst du dich eher nicht rein?
Thorsten: Also, wenn ich sehe, dass Sachen gut laufen, dann kann ich die Finger gut still halten.

Wolfgang: Woher kennen die Fridays aus Berlin dich – oder wie ist da die Geschichte zu – ich weiß ja, dass du da Kontakte hast?
Thorsten: Ich hab wenig Kontakte. Zu Anfang hatte ich zu Yannick Kontakt, der auch bei uns in der Gruppe drin war.

Wolfgang: Wie hältst du es mit XR?
Thorsten: Ich habe das nach der Demo am 20.9. genau beobachtet, was die Gruppe während der Rebellion Wave Anfang Oktober in Berlin gemacht hat und hab gehofft, dass der Funke überspringt. Aber die Teilnahme ist zahlenmäßig nicht das, was ich mir erwünscht habe und angesichts der Situation angemessen wäre. Ich habe da echt mehr erwartet.
Wir als Parents for Future haben ja offiziell beschlossen, dass wir XR als geschwisterliche Organisation ansehen und da stehe ich voll und ganz zu – wir sind eine Bewegung! Trotzdem sind beides eigenständige Gruppen mit unterschiedlichen Aktionsformen. Aber je besser wir zusammenarbeiten, je besser wir vernetzt sind, umso besser ist es.

Wolfgang: Ich will jetzt gern nochmals zu den Parents zurück kommen: Was ist zur Zeit für dich das Wichtigste an den Parents – oder mit den Parents oder in den Parents …?
Thorsten: Als for-Future-Bewegung können wir es schaffen, die Mehrheit der Bevölkerung auf pro-Klimaschutz einzuschwören. Es wäre gut, wenn die jeweiligen for-Future-Gruppen es schaffen, dieses Ziel in ihrer jeweiligen Zielgruppe zu erreichen.Wir schaffen es, aus der Mitte der Gesellschaft in die Mitte der Gesellschaft hineinzuwirken. Andere Bewegungen, wie z. B. XR, können dann noch versuchen, den Druck zu erhöhen, aber Ziel ist es für alle, dass viel mehr Menschen die wesentlichen Klimaziele einfordern!

Wolfgang: Was fehlt dir noch bei den Parents?
Thorsten: Die Regenerationskultur, oder der Anspruch daran, gefällt mir bei Extinction Rebellion sehr gut – also, das Soziale, das Miteinander. Es tut sich auch ganz viel bei den Parents, aber was mir lange Zeit fehlte, war so eine Fokussierung. Die hatten wir als Erwachsene nicht. Wir haben immer an den Umweltschutz gedacht, aber die Jugendlichen von Fridays for Future sind da sehr klar und definieren und fokussieren sich ganz klar auf den Klimaschutz – allein schon aus einem Gerechtigkeitsempfinden heraus. Es ist eben ungerecht, wenn unsere Gesellschaft jetzt das CO2-Budget aufbraucht und unsere Jugend das dann ausbaden muss. Es gilt, diese Ungerechtigkeit anzuprangern und sich darauf zu fokussieren. Es fiel mir durchaus schwer, dieser Fokus, weil ich immer dachte, da fehlt doch was. Aber inzwischen sehe ich das als Stärke der Fridays for Future-Bewegung.

Wolfgang: Das wars eigentlich schon so weit. Vielleicht noch als letzte Frage: Was ist noch nicht gesagt?
Thorsten: Für Berlin fehlt mir – mehr rein in die Arbeitsgruppen, mehr rein in die Kiezgruppen und nicht so eine Fixierung auf WhatsApp-Gruppen und Orga-Treffen. Lasst uns lieber in inhaltliche Arbeitsgruppen gehen, lasst uns Kiez-Gruppen gründen, wo die Leute sich treffen und Eigenengagement wahrnehmen können. Einfach machen und auch mal ein bisschen mutiger sein. Momentan spüre ich oft eine Angst, „kann ich das, muss ich da noch jemand fragen …“ Wir sind schließlich kein Verein, wir haben die Freiheit, viele Dinge zu machen, müssen nicht dauernd um Erlaubnis fragen. Mutig sein und Verantwortung wahrnehmen – das ist das Motto!

Wolfgang: Prima – dann sage ich erst einmal vielen Dank für dieses Interview, Thorsten!
Thorsten: Es tut mir Leid, dass ich soviel geredet hab …
Wolfgang: Nee, alles gut – sonst hätte ich ja gar nichts zu schreiben …