Sehr geehrte ARD, sehr geehrte Redaktion der Tagesschau,
am Freitag dem 24.09.2021 berichteten Sie in der Tagesschau um 20:00 Uhr vom globalen Klimastreik. Die Berichterstattung zu diesem großen Ereignis operiert jedoch offensichtlich mit deutlich falschen Zahlen und Bildern. Es sollen in Berlin „mehr als 10.000“ Teilnehmer*innen gewesen sein. Die Polizei gab aber bereits vor 17:00 Uhr die Zahl von 50.000 Demonstrierenden allein in Berlin heraus – die Veranstaltenden von Fridays for Future hatten zu diesem Zeitpunkt 100.000 Teilnehmende nur in Berlin gezählt.
Zudem werden in Ihrem Beitrag Bilder und Rede von Greta Thunberg mit anderen Bildern geschnitten und unterlegt, die eine halbleere Rasenfläche vor dem Bundestag zeigt. So wird der Eindruck erweckt, dass es nicht allzu viele Zuhörende gegeben hat. Zum Zeitpunkt der Rede jedoch war diese Rasenfläche und weitere Flächen daneben komplett mit Menschen gefüllt – es gibt genügend Bilder dazu, die das belegen (z.B. https://twitter.com/linusdolder/status/1441387631506493442/photo/1 ).
Zudem war zu diesem Zeitpunkt die Hälfte des Demonstrationszugs noch gar nicht wieder auf dem Platz vor dem Bundestag angekommen, sondern noch in den Straßen unterwegs.
In ganz Deutschland waren an dem Tag weit mehr als eine halbe Million Bürger*innen beim Klimastreik. Zahlen in der Tagesschau? Fehlanzeige. Waren Sie bei der größten Demonstration seit Jahren überhaupt vor Ort?
Wir finden es sehr beunruhigend, dass die ARD nicht in der Lage scheint, hier unabhängig, objektiv und eigenständig zu recherchieren. Das Erste Deutsche Fernsehen sollte für unabhängigen Journalismus stehen. Dafür wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk von den Bürger*innen Deutschlands durch den Rundfunkbeitrag finanziert. Aufklärung der Bürger*innen ist die Aufgabe der ARD und nicht die Verbreitung von falschen Informationen.
Die Bewegung Fridays for Future hat enorme Anstrengungen unternommen, um diesen Streik zu organisieren. Bundesweit sind mehr als 600.000 Bürger*innen diesem Aufruf gefolgt. Die Fridays for Future-Bewegung bezieht sich mit Ihren Forderungen nach mehr und konsequenten Klimaschutz auch auf den Artikel 20a unseres Grundgesetzes: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Der Klimastreik fordert die Einhaltung dieses Grundrechts ein, das jedem Menschen ungeachtet seines Alters, Geschlechts, seiner politischen Ausrichtung in unserem Land zusteht. Hierfür die Streikform zu wählen ist nur legitim, da auch dies ein Grundrecht unserer Demokratie ist.
Prominent wurde in dem Tagesschau-Beitrag ein Statement des Präsidenten des Lehrerverbandes platziert. Fragen Sie die Streikenden in Tarifauseinandersetzungen auch, ob sie das wieder nacharbeiten? Eine Stellungnahme der Teachers for Future Germany e.V. zu Ihrem Beitrag des Lehrerverbandes fügen wir bei. Zudem ignorieren Sie dabei, dass neben vielen Schüler*innen auch sehr viele Menschen am Klimastreik teilgenommen haben, die längst keine Schule mehr besuchen.
Zu Ihrer journalistischen Aufgabe gehört, sich mit der größten weltweiten Krise, der Klimakrise, auseinanderzusetzen. Und darüber mit Sachverstand und unabhängig zu berichten und Bürger*innen aufzuklären. Eine unabhängige, objektive Berichterstattung in der Tagesschau über die größten Demonstrationen seit Jahren gehört dazu. Ein wertschätzender und ernstnehmender Umgang mit einer Bewegung, die von jungen Menschen angestoßen, maßgeblich gestaltet und gelebt wird, sollte deshalb eine Selbstverständlichkeit sein.
Eine Berichterstattung mit korrekten Zahlen und Bildern ist dafür und letztlich auch für eine funktionierende Demokratie Grundvoraussetzung. Wir erwarten, dass Sie Ihrem Auftrag nachkommen und keine Fake-News verbreiten. Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medien zu verspielen durch schlechte und falsche Berichterstattung geht schnell und ist gefährlich. Vertrauen dann wieder aufzubauen ist ein langwieriger Prozess.
Freundliche Grüße
Parents for Future Berlin / Berlin4Future